Porträtaufnahme Professor Robert Huber.

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Alumni mit Nobelpreis
Professor Robert Huber 
„Ich bin ins Innere der Moleküle gestiegen“
13. Okt 2010  |  
Lesezeit ca. Min.
Bei diesem Interview handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung des Original-Interviews mit Professor Huber aus dem Oktober 2010.

Professor Robert Huber bekam 1988 zusammen mit  seinem Kollegen und ehemaligen Doktoranden Johann Deisenhofer und Harmut Michel den Nobelpreis für Chemie für die Erforschung der dreidimensionalen Struktur des Reaktionszentrums der Photosynthese. Der heute 73-jährige Wissenschaftler forscht im Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München, wenn er nicht gerade in Duisburg-Essen, Cardiff/ England, Barcelona bzw. Sevilla/ Spanien oder an einer anderen internationalen Forschungseinrichtung lehrt.

Herr Prof. Huber, Sie fühlen sich der TUM noch immer verbunden.
Ja, ich habe an der Technischen Hochschule München studiert und dort die Wissenschaft im wahrsten Sinn des Wortes aufgesogen. Meine ersten Lehrer, die ich in den Grundvorlesungen und Praktika hatte, haben alle große Namen in der Forschung. Mein Mentor Walter Hoppe führte mich in die Kristallographie ein. Zur gleichen Zeit wie ich studierte Gerhard Ertl  bei seinem Lehrer Heinz Gerischer am Institut für Physikalische Chemie der THM, zu unserer Zeit unter der Leitung des Institutgründers Prof. Günther Scheibe. Dort sind wir uns auf dem Flur im Altbau an der Luisenstraße des Öfteren über den Weg gelaufen. Wir waren zur gleichen Zeit am Institut Scheibe und sind beide später zu Nobelpreisehren gekommen.
Ein guter Jahrgang also?
Das könnte man so sagen. Wir forschten mit ganz unterschiedlichen Ansätzen an Molekülen. Ich arbeitete daran, mit Hilfe der Kristallographie ins Innere der Moleküle zu sehen, um die Strukturen aufzuklären. Ertl war an der Oberflächenstruktur interessiert. Das ist doch ganz nett, der eine interessierte sich für das Innere und der andere für die Oberfläche. Ich bin ins Innere gestiegen und habe dann meinen Preis zwanzig Jahre vor ihm bekommen (lacht).

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Sind Sie noch an der TUM?
Erst gestern war ich in Garching bei meinem ehemaligen Doktoranden Prof. Michael Groll. Ich arbeite mit einigen jüngeren Forschern zusammen und bin außerplanmäßiger Professor an der TUM. Bis vor kurzem habe ich auch noch unterrichtet, jetzt nicht mehr, weil das Fach durch Groll sehr gut vertreten ist. Da werde ich nicht mehr benötigt.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie heute an die TUM kommen?
Nun, ich habe am Stammgelände in der Theresienstraße studiert. Insofern habe ich nostalgische Anwandlungen eher, wenn ich in die Stadt komme mit den alten Gebäuden, als wenn ich nach Garching fahre. In Garching müsste man für die Nostalgie noch etwas tun, wie mehr Wohnmöglichkeit schaffen, dass der Campus auch am Wochenende belebt ist. Aber die Entwicklung ist schon fantastisch! Das Katalysezentrum ist ja gerade am Entstehen, ein großer Bau. Da möchte ich Präsident Herrmann mit seinem Durchsetzungsvermögen schon sehr loben.
Sie haben vermutlich viele ehemalige Schüler.
Ich hatte allein in Deutschland weit über 100 Doktoranden und bin umgeben von wissenschaftlichem Nachwuchs. Hier in München sind es momentan zwei: Prof. Michael Groll an der TUM in Biochemie und Prof. Carl-Peter Hopfner an der LMU. In Deutschland haben etwa zehn ehemalige Schüler von mir die akademische Laufbahn ergriffen, weitere im Ausland.
Ferne Inseln und dort vergrabene Schätze sind wohl nicht mehr zu entdecken, aber ungezählte Proteinmoleküle warten auf den neugierigen Forscher, der die Physik und Chemie des Lebens verstehen will. Neugier und Lust am Abenteuer der Forschung habe ich bei meinen Lehrern an der TUM erlebt.

Wann begannen Sie mit den Forschungen, die zum Nobelpreis führten?
Bald nach meiner Berufung an das Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried 1972 haben wir die Forschungsgruppe aufgebaut. Die Gruppe bestand aus Chemikern, Physikern und Biologen. Die Physiker haben mehr die methodischen Probleme bearbeitet, die Biologen mehr die biologischen Aspekte und die Chemiker sind im allgemeinen sehr vielseitig und können das eine und das andere. Zunächst war sehr viel Bedarf an Methoden und Instrumenten. Wir haben unsere eigenen Maschinen entwickelt. Mit entsprechenden Methoden und Instrumenten war es dann möglich, die biologische Problematik anzugehen, Proteine anzusehen, die biologisch sehr interessant sind.
Die Röntgenkristallographie spielt eine entscheidende Rolle bei Ihren Forschungen. Was ist das?
Die Kristallographie gehört zu unserem Handwerkzeug, um die Strukturen von Proteinen aufzuklären. Wir können das Leben nur verstehen, wenn wir die Bausteine sehen. Ohne Sehen ist sicher kein Verstehen. Sehen bedeutet noch nicht, vollständig zu verstehen, aber es ist eine Grundvoraussetzung. Als Hilfsmittel verwendet man die Kristallographie, weil das eine Methode ist, die die atomare Struktur dieser Moleküle, die ja aus vielen zehntausend Atomen mit einem exakt definierten Aufbau bestehen, abbildet. Das Protein muss in reinem Zustand dargestellt werden, dann muss man es kristallisieren, mit Röntgenstrahlen belichten und das Röntgenabbild interpretieren. Das ist die Aufgabe der Röntgenkristallographie.
Porträtaufnahme Professor Robert Huber.

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Welche Fragestellungen brachten Sie zum Nobelpreis?
Da war die Frage: Wie funktioniert die Photosynthese in einer biologischen Photozelle? In der Technik verwenden Sie Photozellen in Ihrer Kamera. Aber wie funktioniert es in der Natur, in Pflanzen, bei photosynthetischen Bakterien? Um das zu verstehen, muss man die Komponenten isolieren, kristallisieren und dann die Struktur aufklären. Das haben wir gemacht. Wir lösten nicht nur die Frage nach der biologischen Photosynthese, sondern wir stellten uns den technischen Herausforderungen. Wir haben damit gezeigt, dass es möglich ist, sehr große Proteine zu analysieren. In diese Richtung ging dann auch die weitere Forschung: Die Aufklärung größerer und komplexerer Proteine. In den letzten zehn Jahren sind eine ganz Reihe von Nobelpreisen für die Analyse großer Proteinkomplexe vergeben worden.
Sie forschten dann auch über Autoimmunerkrankungen.
Das ist richtig. Es stellte sich heraus, dass viele der Proteine, die wir untersuchen, eine Bedeutung in der Medizin haben. Durch die Aufklärung der Struktur dieser Moleküle können wir zum einen die Ursache für eine Krankheit verstehen und zum anderen unter Umständen auch auf die Funktion dieser Moleküle einwirken. Schließlich haben wir ein Schlüsselmolekül aufgeklärt, das für Autoimmunerkrankungen eine ganz entscheidende Rolle spielt, aber auch eine Reihe von anderen Molekülen, die für Krankheiten ursächlich sind, weil sie überfunktionieren. Wenn wir ihre Struktur kennen, dann wissen wir, wie wir die Funktion beeinflussen können. Für diese Art der Forschungen haben wir natürlich eine fantastische Umgebung in München, mit den beiden Universitäten, den Max-Planck-Instituten und anderen Forschungseinrichtungen. Wir können den Chemikern sagen, welche Moleküle sie synthetisieren sollen nach dem Schlüssel-Schlossprinzip. Wir kennen das Schloss, können einen Bauplan für den Schlüssel aufzeichnen und die Chemiker bauen ihn. Das hat große Bedeutung für die Pharmaforschung und für die Pharmaentwicklung.
In zwei Ausgründungen werden Ihre Forschungen für die Pharmaentwicklung umgesetzt. Ist das eine befriedigende Fortsetzung Ihrer Arbeit?
Auf jeden Fall. In der ersten Firma, Proteros, die mittlerweile sehr groß geworden ist, sind es zwei Aspekte: Zum einen, dass die Firma die Methoden anwendet, die ich in der Frühphase der Röntgenkristallographie entwickelt habe. Der zweite Aspekt sind die 70 entstandenen Arbeitsplätze; eine ganze Reihe von Doktoranden aus der Gruppe haben dadurch interessante Jobs bekommen. Bei der zweiten Firma, Suppremol, ist die Befriedigung auch, dass aus unserer akademischen Grundlagenforschung eine Idee zur Ausgründung geboren wurde und die Hoffnung besteht,  Patienten mit Autoimmunerkrankungen zu helfen.
Eine private Frage zum Schluss: Fahren Sie noch Ski?
Ich fahre immer noch regelmäßig, weil es ein traditionelles Winterseminar in Klosters in der Schweiz gibt, das zurückgeht auf einen Kollegen und Freund  am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie, Göttingen, Manfred Eigen. Dem habe ich mich vor vielen  Jahren angeschlossen. Seit ca. 25 Jahren werden daher im Januar regelmäßig die Ski rausgeholt. Wir fahren Ski und tauschen uns über unsere Forschungen aus.
Porträtaufnahme Professor Robert Huber.

Bild: facesbyfrank/TUM.

Robert Huber

Diplom Chemie 1960, Promotion 1963, Habilitation 1968

Robert Huber legte sein Abitur 1956 am Humanistischen Karlsgymnasium München-Pasing ab. Anschließend studierte er Chemie an der TUM und wandte sich dann in seiner Diplom- und Doktorarbeit bei Walter Hoppe am Max-Planck-Institut für Eiweiß- und Lederforschung der Kristallographie und der Strukturaufklärung organischer Moleküle zu. In der Folge löste er insbesondere die atomare Struktur des Insekten-Verpuppungshormons Ecdyson, wodurch sein Interesse für biologisch relevante Makromoleküle und die Entwicklung kristallographischer Verfahren geweckt wurde. 1967 machte Huber sich im Rahmen seiner Habilitation bei Hoppe an die Strukturaufklärung des Sauerstoff-bindenden Insektenproteins Erythrocruorin, womit er u. a. die Universalität der Globinfaltung bewies.

1971 wurde Robert Huber Direktor der Abteilung für Strukturforschung am neu gegründeten Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München. 1976 wurde er an die TUM als Professor für Chemie berufen. Er ist Mitbegründer von zwei Biotech-Unternehmen mit Sitz in Martinsried, die Dienstleistungen für die Wirkstoffforschung und Wirkstoffentwicklung in der Medizin (Proteros, 1997) und zur Therapie von Autoimmunerkrankungen (Suppremol, 2005) anbieten. Seit 2005 ist Robert Huber Emeritus. 2013 wurde er von TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann in den Kreis der TUM Emeriti of Excellence aufgenommen.

Robert Huber erhielt den Nobelpreis in Chemie 1988 gemeinsam mit seinem ehemaligen Doktoranden TUM Alumnus Johann Deisenhofer und mit Hartmut Michel für seine wesentlichen Beiträge zur Röntgenkristallstrukturanalyse und Aufklärung der Raumstruktur des membranständigen Reaktionszentrums der Photosynthese, der biologischen Photozelle.