KI-Experte Philip Häusser
„Man muss sich ins Unbekannte stürzen, um weiterzukommen“
Philip Häusser wollte die Lösung des Problems selbst in die Hand nehmen. „Ich war sofort süchtig“, erinnert er sich. „Das Potenzial, das im sogenannten Deep Learning, also der Künstlichen Intelligenz, liegt, ist enorm.“ Über Online-Lernprogramme versuchte er sich zunächst im Selbststudium Know-how zu maschinellem Lernen und neuronalen Netzen anzueignen. Rasch aber stellte er fest, dass er sich die komplexe Materie über die damals noch raren und teilweise nur schwer zugänglichen Tutorials nicht zufriedenstellend aneignen konnte. Ein Praktikum bei Experten musste her. Philip Häusser stellte seine Arbeit Prof. Dr. Daniel Cremers, dem Leiter des Lehrstuhls für Computer Vision & Artificial Intelligence an der TUM, vor. Der nahm ihn nicht als Praktikant. Er bot ihm eine Doktorandenstelle an.
NEUE PFADE GEHEN
Ab 2014 forschte Philip Häusser gemeinsam mit seinem Doktorvater an künstlichen neuronalen Netzen im Bereich der Computer Vision. Mit FlowNet zählten sie zu den ersten Forscherinnen und Forschern, die die Vorhersage des Optischen Flusses in einer Bildsequenz mit Deep Learning gelöst hatten. Der optische Fluss ist eine wichtige Repräsentation von Bewegungsinformation in frühen Stufen der Bildverarbeitung und wird beispielsweise in der Sichtnavigation von Robotern oder autonom fahrenden Autos eingesetzt. „Im Leben und in der Wissenschaft muss man sich manchmal ins Unbekannte stürzen, um weiterzukommen“, sagt Philip Häusser. „An der TUM traf ich viele Leute, die neue Pfade gegangen sind. Das hat mich nachhaltig beeindruckt und ist bis heute eine ganz wesentliche Inspiration für mich.“
An der TUM traf ich viele Leute, die neue Pfade gegangen sind.
Die Chance, diese innovative Idee in einem kleinen Team von Anbeginn begleiten und vorantreiben zu dürfen, ließ sich Philip Häusser nicht entgehen. Mittlerweile ist er Chief Technology Officer und Geschäftsführer des Start-ups, das mit nunmehr fünfzig Mitarbeitenden und erfolgreichen Finanzierungsrunden der Serie B stetig wächst.
WISSEN FÜR ALLE
Neben seinem Steckenpferd der Künstlichen Intelligenz hat Philip Häusser eine zweite große Leidenschaft. Seit seiner Schulzeit engagiert er sich als Fernsehmoderator, Buchautor und Produzent von Webvideos um der breiten Bevölkerung Wissenschaft auf verständliche und unterhaltsame Weise nahezubringen. „In Deutschland betreiben wir weltweit führende Spitzenforschung, aber wir reden viel zu wenig darüber“, erklärt er. „In manchen Teilen der Gesellschaft entsteht gelegentlich regelrechtes Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, wie es verstärkt während der Corona-Pandemie zu beobachten ist.“
Ob für das ZDF, das BR Fernsehen oder online über YouTube-Kanäle wie Terra X Lesch & Co und Faktencheck – mit vollem Elan präsentiert Philip Häusser Wissensinhalte und verblüffende Experimente. 2021 veröffentlichte er sein zweites populäres Sachbuch. „Ich sehe es als meine Pflicht als Wissenschaftler an, zu erklären, wie all das eigentlich funktioniert – damit das Wissen nicht nur ein paar Leuten vorbehalten bleibt, sondern jede und jeder mitreden kann“, sagt er. „Diese Art von Empowerment ist es, die mich antreibt und motiviert.“
Dr. Philip Häusser
Promotion Informatik 2018
2013 absolvierte Philip Häusser seinen Bachelor in Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 2014 schloss er seinen Master an der University of California in Santa Cruz, USA ab. An der TUM folgte im Jahr 2018 die Promotion im Fach Informatik. Noch bevor er seine Doktorarbeit über neurale Netze einreichte, stieg er als Co-Founder bei Ablacon ein. Das Medizintechnik-Start-up setzt bei der Analyse von Herzrhythmusstörungen auf Künstliche Intelligenz. 2019 wurde es vom Wirtschaftsmagazin Forbes zu den „25 Top Machine Learning Startups To Watch“ gezählt. Philip Häusser ist CTO und Geschäftsführer des Unternehmens, das in München und in Colorado ansässig ist und sein Hauptquartier im Silicon Valley hat.
Neben der Künstlichen Intelligenz ist der Wissenschaftsjournalismus die große Leidenschaft von Philip Häusser. Für seine Arbeit als Wissenschaftsjournalist wurde er mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem 2. Preis des Fast Forward Science Awards in der Kategorie Scitainment sowie mit dem Helmut Fischer Preis für Wissenschaftskommunikation des Deutschen Museums. Wenn Philip Häusser gerade einmal nicht forscht, schreibt oder vor der Kamera steht, spielt er zum Ausgleich gerne Squash und Volleyball.