TUM Ambassador Poul Sorensen.

Dr. Poul Sorensen zog es schon als Student in die Forschung. Die Idee, neue Entdeckungen zu machen, trieben ihn an. Sie führte zu einigen Durchbrüchen in der Krebsforschung – beflügelt auch von der Zusammenarbeit mit TUM-Wissenschaftlern (Foto: University of British Columbia).

Alumni forschen
Krebsforscher Prof. Dr. Poul Sorensen
„Was mich immer angetrieben hat, ist der Drang, neue und wirkungsvolle Entdeckungen zu machen“
03. Dez 2023
Lesezeit ca. Min.
TUM Ambassador Professor Dr. Poul Sorensen hatte bereits wichtige Durchbrüche in der Kinderkrebsforschung erzielt, als er für ein gemeinsames Forschungsprojekt mit TUM-Wissenschaftlern von Vancouver nach München kam. Seitdem kämpft er mit TUM-Forschenden für mehr und bessere Medikamente für krebskranke Kinder.
Vor ein paar Jahren erhielt Prof. Dr. Poul Sorensen von einer Mutter aus den USA eine E-Mail. Sie schrieb darin von ihrer Tochter, bei der mit 16 Jahren eine seltene, aggressive Form eines Hirntumors gefunden worden war. Der Tumor löste starke Kopfschmerzen und Übelkeit aus und war auch nach zwei Operationen und vielen Runden Strahlentherapie nicht besiegt.

Weil die Ärztinnen und Ärzte auch eine Chemotherapie als wenig erfolgversprechend bezeichneten, hatten die Eltern bereits das Schlimmste befürchtet. Dann aber, so schrieb die Mutter, sei von einem neu zugelassenen Medikament die Rede gewesen. Ihre Tochter bekam es schließlich verschrieben – und der Tumor schrumpfte in kürzester Zeit. Die Mutter erzählte Sorensen stolz, dass ihre Tochter gerade als eine der Besten ihres Highschool-Abschlussjahrgangs die Schule beendet habe und an der Universität angenommen worden sei.

EIN MEDIKAMENT, DAS LEBEN RETTET

Dieses neue Medikament ist das Ergebnis von Poul Sorensens Forschung zu einer ungewöhnlichen Genmutation, die Tumorzellen krebserregende Enzyme produzieren lässt. Der Forscher identifizierte den entsprechenden Signalweg und fand heraus, wie dieser sich blockieren lässt. „Die Mail dieser Mutter zu erhalten, die mir erzählt, wie unsere Entdeckung das Leben ihrer Tochter gerettet hat, war vielleicht der schönste Moment in meiner bisherigen Karriere“, sagt Poul Sorensen, der selbst zwei Kinder hat, heute.

„Die Mail dieser Mutter zu erhalten, das war vielleicht der schönste Moment in meiner bisherigen Karriere.“

Prof. Poul Sorensen

Sorensen ist Mediziner und spezialisiert auf die molekulare Pathologie kindlicher Krebsarten. Dabei war die Medizin gar nicht sein Ziel, als er mit dem Studium begann. „Damals wählte ich ein Fach, das eine Kombination aus Chemie und Physik war. Was mich schon immer angetrieben hat, war der Drang, Entdeckungen zu machen“, erzählt Sorensen. Schon zu dieser Zeit interessierte ihn, wie Körperzellen durch ihre äußere Membrane miteinander kommunizieren.

Als Postdoc-Fellow am Children’s Hospital Los Angeles erkannte er dann, wie wenig wir über die Biologie und Genetik von kindlichem Krebs wissen. Der Durchbruch, der mehr als 20 Jahre später zu dem von Sorensen entwickelten Medikament führte, gelang genau zu der Zeit, als er nach Kanada zurückkehrte, um sein eigenes Forschungsprogramm zu starten. „Wir forschten an einer aggressiven Form des kindlichen Krebses, einem sogenannten Sarkoma, und fanden schließlich heraus, dass diese ungewöhnliche Genmutation nicht nur bei diesem, sondern noch bei mindestens 25 anderen, auch bei Erwachsenen relevanten Krebsarten eine Rolle spielt“, sagt Sorensen.

DURCH KOOPERATION THERAPIEN VERBESSERN

Bereits seit Jahren arbeitet der Wissenschaftler in seinem „Sorensen Lab“ an der University of British Columbia (UBC) mit Wissenschaftlern der TUM zusammen. Auf einem Kongress in Berlin hatte er den Kinderonkologen und Immunspezialisten Prof. Stefan Burdach, der bis zu seiner Emeritierung Professor für Kinder- und Jugendmedizin an der TUM war, kennengelernt – eine Verbindung, die ihn und seine Familie 2016 für ein Jahr zu einem Forschungsaufenthalt nach München brachte. „Damals wurde das große Potenzial der Immuntherapie, Tumoren gezielt angreifen zu können, immer deutlicher“, sagt Poul Sorensen.

Die TUM war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr weit bei dieser Form der Therapie, bei der man versucht, spezifische Proteine zu finden, die Krebszellen sozusagen kennzeichnen, und darauf das körpereigene Immunsystem anzusetzen. „Die Zeit in München lehrte mich auf diesem Gebiet viel. Zurück in Vancouver, richtete ich einen großen Teil meines Labors auf die Suche nach speziellen Ziel-Proteinen für Immuntherapien aus“, erzählt Poul Sorensen. Es dauerte nicht lange, bis er ein Protein fand, das bei einigen, nicht nur kindlichen Krebsarten die Zellen vor oxidativen Stress schützt und es ihnen so erlaubt, ins Blut zu gehen und im ganzen Körper Metastasen zu bilden. „Das pushte mich, dank meiner Zusammenarbeit mit meinen TUM-Kollegen noch mehr in die Immuntherapie einzusteigen.“

WEGWEISENDE ENTDECKUNGEN

Gleichzeitig arbeiteten Sorensen und das TUM-Team um Stefan Burdach weiter an einer Entdeckung, die sie bereits 2016/17 gemacht hatten: Gemeinsam hatten sie herausgefunden, dass das Vorhandensein eines bestimmten Proteins mit schlechteren Therapieergebnissen bei mehreren kindlichen Krebsarten einhergeht. Danach erforschten sie den Grund – und fanden die Antwort, als Sorensen 2022 ein zweites Mal an der TUM zu Gast war: In einem Artikel, den sie schließlich im Fachblatt Blood veröffentlichten, beschrieben sie, wie das Protein Blutkrebszellen hilft, in eine Art Energiesparmodus zu wechseln, wenn sie durch einen niedrigen Nährstoff- oder Sauerstoffgehalt bedroht sind.

Aktuell arbeiten sie an einem Artikel, der zeigen soll, wie Knochenkrebszellen sich im Körper verbreiten, in dem sie kleine Päckchen aus RNA und Proteinen in sogenannten extrazellulären Vesikeln vorschicken. „Sie sind wie Scouts, die rausgehen und kleine Nischen schaffen, in die die Tumorzellen dann gehen können, in dem sie das Immunsystem dort ausschalten“, erklärt Sorensen.

BEISPIEL GELUNGENER ZUSAMMENARBEIT

Poul Sorensen schwärmt, wenn er von der Zusammenarbeit erzählt. „Es ist eine symbiotische Beziehung: Ich profitiere von dem Wissen im Bereich der Immuntherapie, während meine Kollegen und Kolleginnen von der TUM, neben Professor Burdach auch Professor Ruland und Professor Rad, mit denen ich in verschiedenen Forschungsprojekten zusammenarbeite, von mir hoffentlich einiges über unsere Forschung zu Signalwegen lernen, die Krebszellen nutzen.“ Doch nicht nur auf Arbeits-, sondern auch auf privater Ebene sei der Austausch ein Gewinn: „Meine Familie und ich haben die Zeit in München immer sehr genossen und ich habe in Stefan Burdach und seinem Team und noch anderen Kollegen großartige Freunde gefunden“, erzählt Poul Sorensen, der während des Gesprächs ein Bild zeigt, auf dem man ihn und den TUM-Professor im gemeinsamen Dänemark-Urlaub sieht.

2023 verlieh TUM-Präsident Thomas F. Hofmann 2023 Poul Sorensen in Anerkennung der langjährigen Zusammenarbeit den Ehrentitel TUM Ambassador. Dem Forscher bedeutet diese Auszeichnung viel: „Sie zeigt mir, dass ich ein zweites wissenschaftliches Zuhause habe, das mir viel Wert ist“, sagt er. Der Titel stärke seine Verbindung zur TUM und zu München und motiviere ihn, auch noch mehr für den studentischen Austausch zwischen der TUM und der UBC zu tun.

Stefan Burdach und Poul Sorensen am Strand in Dänemark.

Mit TUM-Professor Stefan Burdach verbindet Poul Sorensen mittlerweile eine Freundschaft: Das Foto zeigt sie beim gemeinsamen Urlaub in Dänemark (Foto: Privat).

TUM Ambassador Poul Sorensen

Dr. Poul Sorensen (Foto: University of British Columbia).

Prof. Dr. Poul Sorensen

TUM Ambassador 2023

Dr. Poul Sorensen ist Molekularpathologe und Krebsbiologe, der sich auf die Genetik und Biologie von Krebserkrankungen bei Kindern spezialisiert hat. Er leitet das „Sorensen Lab“ an der University of British Columbia (UBC) in Vancouver und hält dort auch den angesehenen Asa und Kashmir Johal Lehrstuhl für Kinderkrebsforschung. Zudem ist er Professor für Pathologie und Labormedizin an der UBC.

Zunächst konzentrierte sich die Forschung von Poul Sorensen auf Signalwege, die bei Krebs im Kindesalter und bei Brustkrebs aktiviert werden. Bereits Anfang der 1990er Jahre machte er als neu berufener Professor eine Entdeckung, die zur Entwicklung eines bedeutenden Anti-Tumor-Medikaments führte, das 2018 weltweit zugelassen wurde.

Nach seinem Forschungsaufenthalt an der TUM widmete sich Sorensen ab 2016 mehr der Immuntherapieforschung. Er kombiniert proteomische und biochemische Ansätze, um Proteine zu identifizieren, die in menschlichen Tumoren spezifisch angereichert sind, um diese vor verschiedenen Stressfaktoren zu schützen. Das soll zielgerichtetere Therapien ermöglichen, die vor allem für Kinder besser verträglich sind.

Die Zusammenarbeit zwischen TUM und UBC hat nicht nur zu bedeutenden Publikationen geführt, sondern auch zu drei erfolgreichen internationalen Stipendien für Forschende der TUM und der UBC geführt. 2023 wurde Prof. Poul Sorensen von TUM-Präsident Thomas F. Hofmann der Ehrentitel TUM Ambassador verliehen.