Professor Hans Ingo Weber nach der Verteidigung seiner Promotionsarbeit mit Doktorhut.

1971 promovierte Hans Ingo Weber in Maschinenwesen und erhielt nach seinem Rigorosum den Doktorhut. Dieser sollte – passend zu seinem Promotionsthema - für einen Satelliten stehen, der zudem auf Rio de Janeiro ausgerichtet war (Bild: privat).

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Mechanik-Experte Hans Ingo Weber
„Meine Karriere ist ganz auf dem fruchtbaren Boden des Instituts von Kurt Magnus aufgebaut“
01. Mrz 2024
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Ein DAAD-Stipendium führte Hans Ingo Weber 1968 von Brasilien nach München an die TUM, wo er unter der Leitung des renommierten Professors Kurt Magnus, Pionier der Mechatronik, promovierte. Diese Zeit prägte nicht nur seine akademische Laufbahn, sondern sorgte auch für unvergessliche Erlebnisse und ließ bleibende Freundschaften entstehen.
„Mein Schicksal hat sich geändert.“ Diesen Satz notierte Prof. Dr. Hans Ingo Weber im Januar 1969 in sein Tagebuch. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in München und hatte jüngst seine Promotion an der TUM begonnen. Dies war möglich dank einer Förderzusage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), die dem aus Brasilien stammenden jungen Ingenieur den Aufenthalt in München ermöglichte.

Von Südamerika aus reiste er rund 10.000 km weit nach München, um bei dem renommierten TUM-Professor und Mechanik-Pionier Kurt Magnus zu promovieren. Eine Transaltantikreise später kam er im Oktober 1968 in München an und wurde sogleich bei Kurt Magnus im Fachbereich für Maschinenwesen vorstellig. „Bereits ein paar Wochen später einigten wir uns auf ein Thema, das ich untersuchen sollte: die Lageregelung von Satelliten“, erinnert sich Hans Ingo Weber. „Damals ein hochaktuelles Thema, da in den späten 1960er Jahren viele Fortschritte in der Satellitentechnologie gemacht wurden, einschließlich der Entwicklung von Kommunikationssatelliten und der Verwendung von Satelliten für wissenschaftliche und militärische Zwecke.“

DER GRUNDSTEIN WIRD GELEGT

In München und im Verlauf der Arbeit an diesem innovativen Promotionsthema, sei sich Hans Ingo Weber darüber bewusst geworden, dass er im Fach Maschinenwesen mit dem Schwerpunkt Mechanik seine Berufung gefunden hatte. Der Grundstein für seine spätere akademische Laufbahn als Professor unter anderem an der UNICAMP (Universidade Estadual de Campinas) in Sao Paulo und der PUC (Päpstliche Katholische Universität) in Rio de Janeiro war damit gelegt.

Noch heute, als Emeritus im Alter von 80 Jahren, hat sich seine Begeisterung für Themen der Mechanik nicht gelegt. Rückblickend sagt er, dass der Beginn seiner Promotion an der TUM den entscheidenden Wendepunkt für sein Leben darstellte, der seinen weiteren beruflichen Werdegang bestimmte: „Meine Karriere ist tatsächlich ganz auf dem fruchtbaren Boden des damaligen Magnus-Instituts aufgebaut.“

Hans Ingo Weber als frisch gebackener Doktor-Ingenieur nach seinem Rigorosum 1971: Noch heute werden traditionsgemäß die promovierten Ingenieure nach der Prüfung mit einem individuellen Doktorhut ausgestattet und unter Pfeifen und Johlen von ihren Kommilitonen auf einem Wägelchen durch die Institutshallen gefahren (Foto: Hans Ingo Weber).
Doktorvater und Mechatronik-Pionier Prof. Dr. Kurt Magnus betrachtet interessiert den Doktorhut von Hans Ingo Weber. Darauf hatten seine Kommilitonen – passend zum Promotionsthema – einen Satelliten befestigt, der  nach Brasilien und damit Richtung Heimat ausgerichtet war (Bild: Hans Ingo Weber).
Hans Ingo Weber stößt nach der Doktorprüfung – dem Rigorosum – mit seinem Doktorvater Prof. Dr. Kurt Magnus und den weiteren Prüfern auf die gute Leistung an. Er wurde am Institut B für Mechanik mit Auszeichnung promoviert (Bild: Hans Ingo Weber).
Hans Ingo Weber heute: Nach wie vor begeistert er sich für Themen der Dynamik. Der 80-jährige Emeritus ist im Bild mit dem sogenannten „Magnus-Kreisel“ zu sehen, ein Gerät, um Phänomene der Rotordynamik zu beobachten (Bild: Hans Ingo Weber).
Die Zeit an der TUM sei zwar sehr arbeitsam, aber auch voller Spaß und Freuden gewesen, sagt Hans Ingo Weber. Unvergessen sind ihm etwa die Fahrten zu Fachtagungen nach Italien, Spanien oder ins damalige Jugoslawien, aber auch die Feier nach seinem Rigorosum am Institut mit Kollegen und Weggefährten. „Ich habe viele Freunde gewonnen, zu denen ich nach wie vor Kontakt habe und von denen mich viele später in Brasilien wieder besuchten.“

Ein für ihn besonders bedeutendes Projekt, das auf Freundschaften aus dieser Zeit fußt, ist die deutsch-brasilianische Kooperation „Diname“. Seit 1986 besteht dieses Netzwerk aus Fachleuten, die sich regelmäßig zum Thema Dynamische Systeme der Mechanik austauschen. Freunde, Mitstreiter aber auch ehemalige Studierende Webers nehmen inzwischen daran teil.

ZURÜCK IN BRASILIEN

Das Stipendium für die TUM ermöglichte Hans Ingo Weber indes nicht nur einen wichtigen beruflichen Meilenstein zu setzen, sondern sich auch auf Spurensuche nach der eigenen Vergangenheit zu begeben. Der Ingenieur stammt gebürtig aus dem Sudetenland. Er wurde während des Krieges, im September 1943 geboren. Nach Kriegsende entschieden seine Mutter und sein Stiefvater sich dazu, auszuwandern.

In Frage kamen Kanada, Australien und Brasilien. „Das eine zu kalt, das andere zu weit weg, also ging es nach Brasilien“, sagt Hans Ingo Weber. Ein amerikanisches Truppentransportschiff brachte die Familie 1948 in ihre neue Heimat. Zwanzig Jahre später, als Hans Ingo Weber Promotionsstudent an der TUM war, knüpfte er den Faden zu einer fast vergessenen Vergangenheit, kam in Kontakt mit seinem leiblichen Vater und Verwandten mütterlicherseits in Wien.

„Ich habe viele Freunde gewonnen, zu denen ich nach wie vor Kontakt habe.“

Prof. Dr. Hans Ingo Weber

AUF DEM FUNDAMENT DER WERTE

Nach Abschluss seiner Promotion an der TUM führte sein Weg Hans Ingo Weber zurück nach Brasilien, wo er an mehreren großen Universitäten des Landes tätig war. Auch heute noch hat er ein Büro an der Universität in Rio de Janeiro, wo er Studentinnen und Studenten empfängt. „Das, was mich am meisten seelisch reich macht, ist, dass ich so viele Studentinnen und Studenten auf ihrem Weg begleitet habe“, sagt Hans Ingo Weber. 28 Doktorandinnen und Doktoranden und 43 Masterstudentinnen und -studenten hat er während seiner Lehrtätigkeit von 1973 bis 2023 ausgebildet und bei ihren Abschlussarbeiten betreut.

Nach dem wichtigsten Rat gefragt, den er nachfolgenden Generationen geben kann, verweist er auf Werte wie Integrität und Moral – seiner Ansicht nach die Fundamente des Lebens: „Vieles im Leben kommt ohne Vorbereitung auf einen zu, deshalb muss man immer bereit sein und gestützt von Integrität und Moral in der Lage sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

 

TUM Alumnus Hans Ingo Weber

TUM Alumnus Hans Ingo Weber (Bild: privat).

Prof. Dr. Hans Ingo Weber

Promotion Maschinenwesen 1971

 

Der gebürtig aus dem Landkreis Gablonz an der Neiße im Sudetenland stammende Hans Ingo Weber wuchs in Brasilien auf. Nach Abschluss seines Masterstudiums 1966 im Fach Maschinenbau begann er seine Lehrtätigkeit an der Bundesuniversität Rio de Janeiro (COPPE). Mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) kam er an die TUM, wo er von 1969 bis 1971 als Promotionsstudent am Institut für Mechanik unter der Leitung von Professor Kurt Magnus tätig war. Im Juli 1971 verteidigte er seine Doktorarbeit mit Auszeichnung.

Er zog zurück nach Brasilien, wo er an den großen Universitäten des Landes unterrichtete. Zuerst übernahm er 1972 eine Lehrtätigkeit an der COPPE, dem Forschungs- und Lernzentrum der Bundesuniversität in Rio de Janeiro. 1977 erhielt er eine Professur an der UNICAMP (Universidade Estadual de Campinas) in Sao Paulo; 1998 wechselte er schließlich an die PUC (Päpstliche Katholische Universität) in Rio de Janeiro.

1986 begründete Professor Hans Ingo Weber „Diname“ mit, eine deutsch-brasilianische Arbeitstagung im Bereich Dynamische Systeme der Mechanik. 15 deutsche Professoren und 60 brasilianische Kollegen trafen sich dazu erstmals in Nova Friburgo, Rio de Janeiro. Diese Kooperation besteht bis heute und hält alle zwei Jahre Fachtagungen ab.

Der heute 80-Jährige lebt zusammen mit seiner Frau in Rio de Janeiro und betreut nach wie vor Studentinnen und Studenten. In seiner Freizeit übersetzt er derzeit sein Buch über Dynamik der rotierenden Körper aus dem Portugiesischen ins Englische. Er besucht gerne den nahe gelegenen Strand oder fährt in die Berge. Regelmäßig reist er mit seiner Frau nach Europa, seinem ehemaligen Studien- und Geburtsort.